Lehrer sein - wird das auch irgendwann einfacher?
Wir schreiben das Jahr 2019. Ich war gerade im Urlaub an der kurischen Nehrung, das Wetter war herbstlich-kühl und in einer Woche würde die Schule nach den Herbstferien wieder losgehen. Ohje. Seit 2016 war ich offiziell Lehrer, ich hatte zu diesem Zeitpunkt also ein wenig Erfahrung als Sonderpädagoge, Fachlehrer und Klassenleitung an einer Berliner Sekundarschule gesammelt. Und obwohl ich die Arbeit mit Jugendlichen und auch meine Schule generell mochte, merkte ich, dass es nicht einfacher wurde. Die Vorbereitungen, die Elternarbeit, der Anspruch auf alle Schüler einzugehen, das Anlernen von neuen Themen (und Fächern), die in der Ausbildung nicht vorkamen, der Umgang mit Unterrichtsstörungen. Jeder Lehrer kann hier mit Sicherheit seine persönliche Liste fortführen.
Obwohl ich in der Schule Unterstützung bekam und wir auch im Team arbeiteten – was besonders rückblickend ein riesengroßer Vorteil war – merkte ich, dass trotz viel Aufwand meinerseits in der Vorbereitung die Themen nicht wie erwartet bei den Schülern ankamen.
Dreifach differenzierte Arbeitsblätter, viel Gruppenarbeit, Wahlfreiheit in den Themen, offene Unterrichtsformen, Orientierung an der Lebenswelt der Schüler, Beziehungsarbeit, regelmäßige Nutzung von Medien, das waren alles Dinge, die ich im Studium und später auch im Referendariat als Grundlagen moderner Bildung gelernt hatte. Hier sah ich einen klaren Unterschied zwischen der Theorie und der Realität des Klassenraums. Ich war ehrlich gesagt ratlos.
Die Hilfe kam aus einer unerwarteten Ecke
Im Oktober 2019 scrollte ich also durch das damalige Twitter und landete bei einem Tweet von Oliver Caviglioli. Oliver war Sonderpädagoge in England, setzte sich später mit der optischen Gestaltung von Lernmaterialien auseinander und griff dafür auf die Theorie des Dual Codings von Paivio zurück. Als erstes fand ich die Materialien sehr ansprechend gestaltet. Was ich vorher an Lernmaterial und Büchern kannte, waren meist entweder Textwüsten, Klicki-Klicki-Bunti (selbst ich bekomme beim Ansehen nervöse Zuckungen) oder Wordarts mit großen Smilies (ich fühle mich dann immer in die 90er zurückversetzt, irgendwo surrt ein Pentium-Prozessor und die Backstreet Boys laufen im Hintergrund). Und jetzt: Sehr klar gestaltete, minimalistische Seiten, zweispaltiges Layout, kompletter Verzicht auf dekorative Elemente und grafische Verstehenshilfen. Das machte für mich sofort Sinn, ich bestellte mir noch im Urlaub das Buch Dual Coding for Teachers und überarbeitete am Ende der Ferien die Einheit zum Klimawandel nach diesen Prinzipien.
Und es war gut. Wer jetzt erwartet, dass Engelschöre im Hintergrund sangen, die Schüler vor Freude weinten und dann mit den neuen kritischen Erkenntnissen eine Klimabewegung gründeten, den muss ich leider enttäuschen. Aber es lief für die Klasse und mich besser und ich merkte, dass sie mehr vom Thema verstanden. Die Beteiligung war besser und die Lernergebnisse am Ende auch. Und diese kleinen Verbesserungen sind das, was im Schulalltag zählt.
Dual Coding ist nicht die Lösung aller Probleme, aber war für mich der Anfang, mich mehr mit der internationalen, englischsprachigen Diskussion auseinanderzusetzen. Und plötzlich sah ich, dass es so viel ehrlichen Austausch zu schulischen Themen gibt, der mir in der deutschen Debatte oft fehlte. Mein Dank gebührt den vielen Lehrkräften, die ihren Job lieben, sich weiterentwickeln wollen und ihre Erkenntnisse mit anderen teilen. Auf diese Reise möchte ich gern einladen.
Wie kann Schule besser werden?
Es gibt Bücher, die vor allem für Hausarbeiten im Studium helfen und solche, die sofort Sinn machen, weil sie von Menschen geschrieben wurden, die Forschung lesen und sie täglich in die Praxis umsetzen.
Sinnvolle Konzepte entstehen dann, wenn Menschen über einen längeren Zeitraum in einer Gruppe an einem für sie relevanten Thema arbeiten können. Diesen Ansatz können wir uns von erfolgreichen Schulen und Bildungssystemen weltweit abschauen.
Während Differenzierung wichtig ist, um Schüler auf ihrem Leistungsstand abzuholen, kann sie auch kontraproduktiv sein, weil sie sie nicht fordert und sie so den Anschluss verlieren können. Unterricht sollte sich an Schüler anpassen und trotzdem hohe Erwartungen an jeden haben.
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